Das Gebäude wurde direkt an einer Straßenkreuzung errichtet, wie es sich für eine Kirche gehört.
St. Nikolaus ist eine echte Stadtkirche, die bereits im 13. Jahrhundert von den Genter Schöffen zum Belfried gemacht wurde. Hier waren die Stadtglocken und die Stadtwächter untergebracht. Heute dient die Kirche zur Hälfte kirchlichen Zwecken und zur anderen Hälfte privaten Initiativen.
Geschichte einer Kirche►
Die St.-Nikolaus-Kirche war seit ihrer Gründung die Kirche der Kaufleute und Händler, die auf dem nahen Korenmarkt und im Hafen an der Gras- und Korenlei tätig waren. Die heutige Kirche hatte zwei Vorgängerbauten, von denen einige Spuren im Chorumgang erhalten geblieben sind.
Mit dem Bau der heutigen Kirche wurde Anfang des 13. Jahrhunderts begonnen. Nach vier Bauphasen, die durch die wirtschaftliche Blüte der Stadt und den Wohlstand der Kaufleute ermöglicht wurden, wurde der scheldegotische Chor Anfang des 14. Jahrhunderts seiner regionalen Eigenart beraubt und dem internationalen gotischen Stil angepasst.
Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts war die St. Nikolauskirche unter anderem wegen Stabilitäts- und Feuchtigkeitsproblemen dem Verfall anheimgefallen, verschiedene Notfallmaßnahmen folgten. Das 17. und das 18. Jahrhundert standen im Zeichen einer „barockisierenden“ Ausschmückung des Kircheninneren, und auch die Französische Revolution hinterließ ihre Spuren. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs das historische Interesse an der Gotik im Allgemeinen und der St.-Nikolaus-Kirche im Besonderen, was zu einer vollständigen Restaurierung seit Anfang des 20. Jahrhunderts führte.
Die Kirche gilt heute als Beispiel für die Verknüpfung von zeitgenössischem Bauwissen mit historischem Erbe und seinem Schutz. Sie bietet angehenden Architekten und Restauratoren Lernmöglichkeiten in alten Bautechniken und sorgt für einen immer lebendigeren Diskurs über die Frage, ob die gegenwärtig rohes Mauerwerk zeigenden Säulen eigentlich polychrom sein sollten.
Geschichte eines Ortes►
Unterstrichen►
Nicolas De Liemaecker, NIKOLAUS’ ERNENNUNG ZUM BISCHOF VON MYRA, 1630-1632
Über den Schutzheiligen Nikolaus von Myra ist wenig bekannt, aber in zahlreichen Legenden bewirkt er wundersame Wendungen im Leben von Seeleuten, Händlern, Bäckern und heiratsfähigen Mädchen.
Aufgrund dieser Legenden wird der heilige Nikolaus zum Schutzpatron von Kirchen, die an Märkten, Häfen und Handelswegen liegen.
Das Gemälde von Nicolas De Liemaecker (1575–1646) im Hochaltar zeigt Nikolaus’ Ernennung zum Bischof von Myra. De Liemaecker, ein Zeitgenosse von Pieter Paul Rubens (1577–1640) und Gaspar De Crayer (1584–1669), war ein in den Kirchen und Klöstern Gents sehr gefragter Meister.
Das Werk stammt aus der Zeit um 1630–1632 und wurde 1678 so vergrößert, dass es in den neuen barocken Hochaltar passte.
Cavaillé-Coll orgel, 1856
In der Kirche erklingt eine berühmte Orgel des Pariser Orgelbauers Cavaillé-Coll, welche die frühere Van-Peteghem-Orgel ersetzte. Dieses französische Instrument wird auch als Rolls-Royce unter den Orgeln bezeichnet.
Die lokale Presse war am Tag nach der Einweihung des Instruments am 11. März 1856 voll des Lobes über seine Fähigkeiten! Seit der Wiedereröffnung des restaurierten Kirchenschiffs ist die Orgel wieder über dem Westportal auf dem Lettner zu sehen. Das Windwerk ist nahezu vollständig erhalten geblieben und wartet nun seinerseits auf eine gründliche Restaurierung.
Bescheidener, aber in seiner musikalischen Ausdruckskraft nicht weniger beeindruckend, ist die heutige Flentrop-Orgel, die wie ein Schwalbennest im Hochchor hängt. Die Orgel wird nicht nur für musikalische Aufgaben im Gottesdienst genutzt, sondern oft auch von Studenten der Städtischen Musikakademie, an der Paul De Maeyer eine renommierte Orgelklasse leitet.
GLASFENSTER IM HOCHCHOR, HERMAN BLONDEEL (1956-1997)
Die drei Glasfenster im Hochchor gehen auf einen Entwurf des Genter Glaskünstlers Herman Blondeel (1956–1997) zurück. In sieben horizontalen Bändern, die sich über die drei Fenster erstrecken, symbolisieren sie die sieben Sakramente.
Die drei untersten Bänder verweisen durch die Farbwahl auf die Sakramente des Lebens: Taufe, Firmung und Ehe. Die vier oberen, in Weißtönen gehaltenen Bänder hingegen symbolisieren die spirituellen Sakramente, nämlich Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe und Eucharistie.
Realisiert wurden die Glasfenster erst nach dem Tod Blondeels durch Patrick Romain. Am 4. Juli 2004 wurden sie eingeweiht. Wer die Kirche an einem sonnigen Tag besucht, erlebt, dass sie das Licht feiert wie keine zweite.
APOSTELSTATUEN, 17. JAHRHUNDERT
Die zwölf Apostelstatuen aus dem 17. Jahrhundert gehörten ursprünglich zur Unterkirche, wurden aber im Zuge der Restaurierung versetzt.
Die Statuen des heiligen Petrus (mit Buch und Schlüssel), des heiligen Andreas (mit dem schrägen Andreaskreuz) und des heiligen Jakobus des Älteren (mit Pilgerstab und Muschel) wurden 1642 von Claude Le Fer I. geschaffen. Der Schöpfer der anderen Apostelstatuen ist nicht bekannt.
In der Kirche gibt es außerdem noch zwei Skulpturen der Apostel Petrus und Paulus (mit Buch und Schwert), die Jacques Cockx ursprünglich für die Jesuitenkirche in der Volderstraat angefertigt hat. Um 1800 wurden sie in die St.-Nikolaus-Kirche gebracht, wo sie das Portal zur ehemaligen Sakristei bewachen.
EPITAPH OLIVIER VAN MINJAN UND OLIVERS FRAU, 16. JAHRHUNDERT
Bemerkenswert ist ein Gemälde am ersten Pfeiler des nördlichen Seitenschiffs.
Es zeigt den Gekreuzigten, links neben ihm kniend Olivier van Minjan und seinen Schutzpatron, den heiligen Olivier, sowie rechts Olivers Frau, Amelberga Slanghen sowie wiederum deren Schutzpatronin, die heilige Amalberga.
Auch alle 31 Kinder des Paares sind zu sehen. Die Familie lebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und wurde 1436 von der Pest heimgesucht.
Möglicherweise entstand das kleine Gemälde nach dem Bildersturm von 1566 oder 1579 als Ersatz für ein zerstörtes oder verlorengegangenes Epitaph aus dem 15. Jahrhundert.
DER HEILIGE NIKOLAUS, AUS DEM 16. ODER FRÜHEN 17. JAHRHUNDERT
Eine im südlichen Chorumgang zu sehende Skulptur aus dem 16. oder frühen 17. Jahrhundert nimmt Bezug auf eine der sich um den heiligen Nikolaus rankenden Legenden:
Der Heilige wird meistens mit drei Kindern in einem zu seinen Füßen stehenden Kübel dargestellt, so auch auf dem Gemälde, das den Hochaltar der St.-Nikolaus-Kirche krönt.
Die Vorstellung, dass es sich bei den drei Figuren um Kinder handelt, ist allerdings ein Missverständnis und darauf zurückzuführen, dass es damals üblich war, Heilige größer darzustellen als gemeine Menschen.
Aus diesem Missverständnis heraus ist die Vorstellung entstanden, dass „der Nikolaus“ an seinem Namenstag (dem 6. Dezember) die Kinder mit Leckereien und Spielzeug beschenkt.